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Der knifflige Umgang der SPD mit der Linkspartei

Interessanter öffentlicher SPD-Dialog in Lippstadt vor Pfingsten 2008

Für manche war es vor zehn Jahren eine Schmuddelfrage, andere bewegte in der SPD damals kaum etwas mehr. Der richtige Umgang mit der Linkspartei hatte spätestens seit den Landtagswahlen im Januar 2008 in Hessen und in Niedersachsen und im Februar 2008 in Hamburg viele Gemüter bei den Sozialdemokraten in beträchtlicher Aufregung versetzt. Für den Lippstädter SPD-Ortsverein war dies vor einem Jahrzehnt Anlass genug, am Freitag vor Pfingsten zum Pro und Kontra gegenüber den Konkurrenten von Links im politischen Wettbewerb in der Begegnungsstätte der Arbeiterwohlfahrt in der Steinstraße eine öffentliche Diskussionsrunde durchzuführen.

Freitag vor Pfingsten 2008:Gruppenbild in der Begegnungsstätte der Arbeiterwohlfahrt in Lippstadt (von links) mit Johannes Kahrs, Hans Zaremba, Marc Herter und Bernhard Scholl.

Populistisch und Unseriös

Mit dem Sprecher des parteirechten Seeheimer Kreises, dem Hamburger SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, und dem Mitglied vom Forum Demokratische Linke 21 in der SPD, dem damaligen SPD-Fraktionschef im Hammer Stadtrat und am 24. April 2018 in Düsseldorf bei der Wahl zum Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion überraschend unterlegenen Marc Herter, waren zwei Repräsentanten der beiden großen SPD-Flügel zugegen. Die Forderung, es einmal ernsthaft im Westen oder im Bund mit der Linkspartei zu versuchen, war in der vom seinerzeitigen stellvertretenden Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins Lippstadt, Bernhard Scholl, geleiteten Diskussion nur vereinzelt zu hören. Es waren nicht wenige, die die linke Konkurrenz als zu populistisch und zu unseriös betrachteten. Dennoch war viel Unmut über einige der damaligen Entscheidungen der handelnden Politiker im Bundestag und in der Regierung der Großen Koalition (2005-2009) zu vernehmen. Sie reichte von der Kritik an der Selbstbedienungsmentalität bei der kurz vor dem SPD-Dialog in Lippstadt erfolgten Diätenerhöhung für die Parlamentarier, den Einschnitten beim Arbeitslosengeld und den Öffnungsklauseln für die Leiharbeit.

Chaotisch und unverlässlich

„Ich persönlich will lieber die Wähler der Linkspartei und nicht die Linkspartei selbst für die SPD gewinnen“, unterstrich vor zehn Jahren in Lippstadt der für seine klare Sprache bekannte Johannes Kahrs aus Hamburg. Zudem sah er in dem „chaotischen Haufen“ der aus Fusion von WASG und PDS entstandenen Verbindung keinen verlässlichen Partner für die SPD, „vor allem nicht bei den Leuten im Westen“. Besonders scharf ging er mit der Politik des einstigen SPD-Parteivorsitzenden und seinerzeitigen Chef der Linkspartei, Oskar Lafontaine, ins Gericht, für die der Mann von den Seeheimern nur Häme übrig hatte.

Ohne Wenn und Aber

Ohne Wenn und Aber bekannte sich der an der Weser aufgewachsene Sohn zweier ehemaliger Bremer Senatsmitglieder mit SPD-Parteibuch (Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs und Justizbehördenchef Wolfgang Kahrs) zu der vom früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder durchgesetzten Agenda 2010. „Mit ihm als Spitzenkandidaten sind wir dreimal in Folge bei den Wahlen in die Bundesregierung gekommen“, erinnerte der 1998 erstmals in das Berliner Parlament gewählte Hanseat an die Ergebnisse seiner Partei von 1998, 2002 und 2005. ‚Von denen sind wir heute in den Umfragen weit entfernt.‘ Während der Kanzlerschaft des Hannoveraners habe die SPD sieben Jahre lang eine gute Wirtschafts- und Sozialpolitik gestaltet, was die damals in 2008 registrierte positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt belege.

Freitag vor Pfingsten 2008: Die Lippstädter Sozialdemokraten und Mitglieder aus der Industriegewerkschaft Metall, Hans-Joachim Kühler (vorne) und Michael Althoff, waren am Freitagabend vor Pfingsten vor zehn Jahren zwei Beobachter eines interessanten und gut besuchten öffentlichen Dialoges der Sozialdemokratie im Umgang mit der Linkspartei. Archiv-Fotos (2): SPD-Ortsverein Lippstadt

Gegen Stigmatisierung

Gegen eine Stigmatisierung der Linken wandte sich Marc Herter, um sie nicht in eine Märtyrerrolle zu drängen. „Wir müssen uns mit dieser Gruppierung inhaltlich auseinandersetzen“, betonte der Sozialdemokrat aus dem benachbarten Hamm. „Natürlich wäre es schön, wenn wir die einzige linke Partei wären, aber wir müssen die Realitäten erkennen.“ Bei allen Überlegungen stehe für ihn im Vordergrund, wie die SPD am besten ihre Forderungen durchsetzen könne. Daher habe er auch das ursprüngliche Dogma des zu jener Zeit amtierenden SPD-Chefs Kurt Beck („Keine Koalition mit den Linken im Westen“) für falsch gehalten. Im Gegensatz zu Johannes Kahrs lehnte es Marc Herter im Mai 2008 ab, bei der Suche nach politischen Lösungen Oskar Lafontaine ausgrenzen zu wollen.

Übereinstimmungen

Ebenso widersprach der SPD-Linke dem Seeheimer in der Agenda-Bewertung, wo es nach der Beurteilung des Westfalen in einigen Teilen an der notwendigen sozialen Balance gefehlt habe. Ohne einen grundlegenden Politikwechsel der Linkspartei auf dem internationalen Feld sah auch Marc Herter in 2008 keine Chance für ein Bündnis in einer Bundesregierung. Einklang bestand zwischen den Vertretern des linken und rechten SPD-Flügels mit Blick auf die internationalen Verpflichtungen Deutschlands: Eine Verabschiedung der Bundesrepublik Deutschland aus der Europäischen Gemeinschaft und der Nato, wie sie von der Linkspartei verlangt werde, war weder für den Hamburger noch für den Hammer denkbar.

Hans Zaremba

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