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Rote Lippe Rose intern 06/2017

sie tut es aber nicht. Die theologischen Lehrer meinen nicht, sie zu regieren, sie tun’s aber in Wirklichkeit. Ein Gewissen aufrichten ist mehr als hundert Reiche haben.‘ (Martin Luther, Tischreden, Stuttgart 1981, S. 185 – Reclam Universal-Bibliothek 1222)

Wann er das gesagt hat, weiß ich wirklich nicht. Aber eine gewisse Aktualität steckt doch darin. Wir modernen Zeitgenossen reiben uns manches Mal die Augen, weil in unserer Welt Dinge geschehen, die nicht zu begreifen sind. Dann sagt man schnell, dass die Welt wohl verrücktspielt. Ob nun Präsidenten von großen Ländern völlig unverständlich handeln und wie ein Trampeltier durch die Welt poltern, ob nun Präsidenten von kleinen Ländern mit immer neuen Nadelstichen ausprobieren, wann der Ballon der Geduld platzt – man begreift es nicht. Kann denn niemand Einhalt gebieten? Kann denn niemand denen mal ordentlich ins Gewissen reden? Wenn man Martin Luther richtig versteht, gibt es solche Leute. Er redet von theologischen Lehrern, er könnte auch Pfarrer meinen, oder auch ganz allgemein die mündigen Christen. Im Gespräch der SPD mit der Evangelischen Kirche erinnerte Pfarrer Thomas Hartmann an das ‚Wächteramt der Kirche‘. So wie das Gewissen über den Menschen wacht, so sollte die Kirche das Gewissen einer Gesellschaft sein und über die Entwicklungen in der Gesellschaft wachen. Das hat jetzt nichts mit Bevormundung zu tun – die Zeiten sind vorbei. Aber auf Missstände hinzuweisen, bedenkliche Erscheinungen aufzuzeigen und Alternativen zu entwickeln ist eine wichtige Aufgabe der Kirche, aber nicht nur der Kirche.

Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit. Das ist ihre Aufgabe, die sie nur im Gespräch mit anderen Partnern bewältigen können. Es ist gut, wenn es dann gemeinsam gelingt, unsere Gesellschaft an ihr Gewissen zu erinnern und notfalls ein Gewissen wieder aufzurichten. Vielleicht wäre das ganz einfach, wenn es wieder große Tischrunden gäbe, an denen munter gegessen und munter miteinander geredet wird. Schön ist es dann, wenn die Tischreden nicht nur Reden bleiben.

Dietmar Gröning-Niehaus

Parteigeschichte

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