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Rote Lippe Rose intern 09/2015

Parteigeschichte

Mann der Geschichte:Egon Bahr im Januar 2004 bei seinem Vortrag im Lippstädter Stadttheater.
Archiv-Foto: „Der Patriot“, Lippstadt

Fortsetzung des Beitrages aus der Zeitung „Der Patriot“ aus dem Januar 2004

Mit „Der deutsche Weg“ hat Bahr einen bewusst provokanten Titel gewählt. Doch eventuellen Befürchtungen, hier werde ein neuer deutscher Chauvinismus gepredigt, nimmt er gleich den Wind aus den Segeln. „Am deutschen Weg soll die Welt nicht mehr genesen“, betont er und fügt lakonisch hinzu: „Vor der Bundeswehr braucht Luxemburg keine Angst zu haben.“ Tatsächlich ist der von Bahr geforderte deutsche Weg mindestens so sehr ein europäischer. Denn der Außenpolitiker fordert ein neues europäisches Selbstbewusstsein, das zwangsläufig mit einer Emanzipation von den USA einhergehen müsse.

Konsequenterweise analysiert Bahr zunächst die Entwicklung der von ihm unter dem Schlagwort „Macht und Mission“ zusammengefassten amerikanischen Außenpolitik, die unter George W. Bush nach der Weltvorherrschaft durch militärische Überlegenheit strebe. Die Europäer sollten dagegen – nicht als Konkurrenten oder gar als Feinde der Vereinigten Staaten, sondern im Sinne einer „Arbeitsteilung“ – auf Diplomatie und die internationale Stärkung des Rechts setzen. Wie erfolgreich dies sein könne, zeige zum Beispiel das Einlenken Teherans bei der Kontrolle des iranischen Atomprogramms.

Egon Bahr spricht langsam, bedächtig, aber nie monoton, immer wieder Pausen setzend, die das Gesagte besonders betonen, ohne dabei ins unangenehm Oberlehrerhafte abzurutschen. In diesem typischen Bahr-Sound eben, der das Publikum schnell in seinen Bann zieht. Er argumentiert sachlich, jedoch ohne provokante Thesen zu scheuen, und würzt das Ganze mit wohl dosiertem lakonischen Humor. Vor allem verströmt er etwas, was man in der Politik dieser Tage eher vergeblich sucht: Authentizität. Bahr gehört einer Generation an, in der noch nicht abgeschliffene Karrieristen die politische Bühne dominierten. Und er hat den Vorteil, nicht mehr gewählt werden zu müssen. Sein Vortrag ist daher erfrischend frei von taktischen Rücksichtnahmen und parteipolitischer Polemik, eine wahre Wohltat für die Christiansen-geschädigten Zuhörer.

Als Außenpolitiker ist Egon Bahr längst in die Geschichte eingegangen. Zum alten Eisen gehört aber wohl noch lange nicht. bal

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